Mark Knopfler – Tracker: digitale Analog-Aufnahme

Erstellt von:
3 August 2015
In Blog
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Das im März 2015 erschienene Album Tracker ist Mark Knopflers achtes Soloalbum. Wieder zeigt der ex Dire Straits Frontmann seine schöpferischen Fähigkeiten als Songwriter und Musiker, der auch klare Vorstellungen über musikalische und akustische Feinheiten hat. Die ruhig fliessenden Songs des neuen Albums sind subtil im Aufbau und zeichnen Stationen in Mark Knopflers Leben nach. Die einzelnen Titel (Tracks!) sind Knopflers Reminiszenzen an Persönlichkeiten, wie die von ihm verehrte Schriftstellerin Beryl Bainbridge in „Beryl“ oder Gitarren-Crack  J. J. Cale in „Broken Bones“ oder die Huldigung an den Dichter Basil Bunting in „Basil“ und das autobiografische »Laughs And Jokes And Drinks And Smokes«. Auf dem Album spielen zahlreiche langjährige, aber auch neue Musikerfreunde zusammen mit Knopfler.

Mark Knopfler hat auch klare Vorstellungen wie seine Musik erklingen soll – schon zu Dire Straits Zeiten. Nicht umsonst sind Alben wie „Brothers in Arms“ Standard in Audio-Vorführungen. Knopfler zeigt mit Tracker, dass es auch ohne Dynamikkompression und schrillem Sound geht (hier sei Adele 21 als negativ Beispiel erwähnt, wie falsches Mastering eigentlich gute Musik kaputt bearbeiten kann: CD DR = 06).

Knopfler und sein Toningenieur und Co-Produzent Guy Fletscher lieben den „warmen, analogen Sound“. Das Album wird auch vom Marketing als analoge Aufnahme angepriesen und ist als CD, Doppel-LP, Hi-Res-Download und Limited Super Deluxe Edtion Box mit je zwei CDs, LPs und einer DVD erhältlich. Den Anspruch eine analoge Aufnahme zu sein, wird die Produktion aber nicht vollumfänglich gerecht. Vielmehr wird ein gemischtes Aufnahmeverfahren verwendet bei dem digitale und analoge Aufnahmewerkzeuge zum Einsatz kommen. Dies mag analog Freaks ebenso erstaunen wie die digitale HD-Fraktion befremden, wenn im Aufnahmezweig eine analoge Bandmaschine zum Einsatz kommt, die Tracks aber in einer Digital Workstation bearbeitet werden.

Guy Fletscher sagt zu diesem Workflow: „Was wir beabsichtigen ist, das Beste der alten Aufnahmetechnik mit den besten neuen (digitalen) Aufnahmewerkzeugen zu verbinden“. Er führt weiter aus: „Some of the old stuff sounds beautiful…“ und „ wir fanden durch Experimente System-Kombinationen, auf die wir intuitiv nicht gekommen wären“.

Wer Henrik Hansens Filme über den kreativen Prozess zum Album Tracker genau betrachtet, findet zwischen  Minute 1:17 und 1:22 einen Hinweis wie dieser analog digitale Aufnahmeprozess funktioniert: CLASP

Die CLASP (Closed Loop Audio Signal Processing) Technologie bindet eine analoge Bandmaschine in die Pro Tools Digital-Workstation ein. Das Audiosignal wird vor der Analog-Digital-Wandlung über eine 3-Kopf- Bandmaschine geführt, aufgenommen und nach wenigen Zentimetern  Bandlauf vom Wiedergabekopf wieder ausgelesen und an die digitale Arbeitsstation weitergeleitet. Man drückt dem Audiosignal den analogen Stempel der Bandaufzeichnung auf. Somit wird der legendäre warme Klang der analogen Ära in die digitale Welt transportiert. Es dürfte klar sein, dass man sich damit auf alle Limiten und Meriten der analogen Bandaufzeichnung einlässt, wie Kompression, einen auf ca. 65dB begrenzten Dynamikumfang, Bandsättigung, Vormagnetisierungsfrequenz, geringere Kanaltrennung, geringerer Signal-Rauschabstand, Gleichlaufschwankungen und Kopfspaltmasse. Nur diese Faktoren prägen eben den gewollten analogen Sound. Der Frequenzgang ist stark abhängig von der Bandgeschwindigkeit, was klangverändernd wirkt. Dies kann aber auch als kreativer Prozess verstanden werden – notabene im Pop- und Jazzbereich. Bei Klassikaufnahmen sind solche Prozesse kein Thema. Die Speicherung und Weiterbearbeitung geschieht dann in der digitalen Domäne. Der grosse Vorteil dieses Workflows liegt darin, dass nur mit der ersten Bandgeneration gearbeitet wird. Bandkopien entfallen, Rauschabstände und Verzerrungen steigen nicht mit jeder Arbeitskopie an. Guy Fletscher arbeitet  in Pro Tools mit 24Bit/96kHz Auflösung. Bei Tracker wurden die CD- und LP-Master auf Band gespeichert und daraus die entsprechenden Pressungen erstellt.

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CLASP Blockschema

Man kann über diesen Arbeitsprozess geteilter Meinung sein. Ein durchgängiger 24/96 Arbeitsprozess mit anschliessendem analogem Bandmaster hätte den Vorteil, dass reines hochauflösendes Rohmaterial zur Verfügung stände. Den „analogen Stempel“ könnte man auch danach noch auftragen. Mit dem CLASP-Weg werden die Limitierungen gleich zu Beginn dem Signal beigefügt. Eine echte Hi-Res-Aufnahme lässt sich so nicht mehr erzeugen.

Der Frequenzumfang einer analogen Bandmaschine reicht nur bei einer Bandgeschwindigkeit von 76cm/s (30ips) deutlich über 20kHz hinaus (ca. 30kHz). Es ist daher interessant, das Frequenzspektrum des Tracker Hi-Res-Downloads zu betrachten.

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Tracker Spektralanalyse

Die Spektralanalyse zeigt Frequenzanteile bis knapp über 30kHz. Die CD-Auflösung zeigt die typische Beschneidung bei 22kHz. Etwas unnatürlich wirken die durchgehend hohen Pegel der Oberschwingungen, anstelle eines natürlichen Pegelabfalls zu höheren Frequenzen hin (gelb = hoher Pegel, Übergänge von rot zu violett zeigen abnehmende Pegel an). Dies ist ein Hinweis auf deutliche Klangmanipulationen (EQ), wie sie im Masteringprozess nicht unüblich sind.

Hier zum Vergleich eine unmanipulierte Hi-Res-Aufnahme mit deutlich abnehmendem Pegel zu höheren Frequenzen hin (Aix Records, Guitar Noir, Laurence Juber)

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Guitar Noir Spektralanalyse

Klanglich präsentiert sich die Tracker Hi-Res Variante luftiger, der Raum öffnet sich um Nuancen, das Hi-Hat bei Long Cool Girl gewinnt an Natürlichkeit, da hier das reichere Oberton Spektrum des Perkussionsinstrumentes deutlicher zum Vorschein kommt. Insgesamt sind die Unterschiede zwischen Hi-Res und CD subtil, aber wahrnehmbar. Wie eine durchgängige HD Aufnahme im Vergleich mit der CLASP Variante klingen würde, lässt sich leider nicht nachprüfen. Was klar ist, dass der Sound die vom Künstler und Toningenieur gewollte „Wärme“ hat. Dies wird allerdings mit einem Minus an Transparenz erkauft.

Fazit: Tracker ist ein herausragendes Album, musikalisch und aufnahmetechnisch. Die feinziselierten, tiefgründigen Songs bieten Hochgenuss. Für welche Tonträger-Variante man sich Entscheidet ist eine Frage der Präferenzen und Preisvorstellungen. Das limitierte Super Deluxe Set ist für knapp CHF 90.- zu haben, die CD ab CHF 18.- und die Doppel LP für rund CHF 35.-. Den Hi-Res-Download mit vier Bonus Tracks gibt’s bei Qobuz für CHF 31.- (unsinnigerweise auch als 192kHz Datei – ein Hochrechnen der nativen 96kHz Daten erzeugt nur Nullen in der Datei, aber keine Mehrinformationen).