Perfekte Raumaufnahme – Über unverfälschte Musikwiedergabe

Erstellt von:
7 Oktober 2015
In Blog
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Wie sich eine künstlerisch und technisch nahezu perfekte Musikaufnahme anhören kann, zeigt Jared Sacks vom Label Channel Classics eindrücklich. Die zur Close-Miking Technik völlig gegensätzliche Aufnahmetechnik, die Jared mit seinem Niederländischen Team betreibt, versetzt den Hörer direkt in den Aufnahmeraum und liefert so ein atemberaubendes Klangerlebnis.

Bei der Close-Miking Technik werden die Mikrofone sehr nah oder gar im Instrument platziert (siehe Blog). So wird nur Direktschall aufgezeichnet und Raumeinflüsse sind ausgeblendet. Ohne künstlichen Hall oder moderne DSP-Raumsimulation klingen solche Aufnahmen sehr trocken und unnatürlich, quasi mehrfach mono. Im Gegensatz dazu werden bei der Aufnahme rein akustischer Ensembles, wie sie explizit bei Klassik und verbreitet bei Jazz Musik vorherrschen, die Mikrofone mit einem deutlichen Abstand zu den Klangkörpern aufgestellt. Dadurch wird die räumliche Ausdehnung des Klangkörpers mitaufgezeichnet. Instrumente und Stimmen treten in einen Bezug zueinander der Raum dazwischen wird fassbar.

Ein sehr eindrückliches Beispiel für diese Raumaufnahmetechnik bieten Navis/Channel Classics mit dem Album „8 Ensembles in 1 Bit“. Mit einem Querschnitt durch verschiedene Musik Genres von Acoustic, Bossa Nova, Klassik, Jazz, Swing bis hin zu Vocal zeigt das Team was moderne Aufnahmetechnik zu leisten vermag. Jeder Titel wurde in einem Stück aufgenommen, da mit der eingesetzten DSD-Digital-Technik die Aufnahme nicht nachbearbeitet werden kann: mit nur einem Bit kann man nicht rechnen! Dies zwingt das Aufnahmeteam bereits bei der Mikrofonierung (Auswahl der Mikrofon Typen, Standort) sehr genau zu arbeiten. Auch die Künstler spielen unter Live Bedingungen, da die Musikstücke in einem Durchgang aufgenommen werden. Nachträgliches korrigieren von Fehlern ist nicht möglich, soll das DSD Format nicht verlassen werden. Diesen Anspruch erhebt das nativedsd.com Download-Portal.

Durch diese Produktionsbedingungen entstehen prickelnde Aufnahmen, die durch ihre Klarheit und Natürlichkeit bestechen – Musik pur. Die Klangaura fliesst in den Raum, die Künstler spielen mit hoher Konzentration und künstlerischem Ausdruck. Jared Sacks bemerkt: „Wir versuchen die Musiker richtig im Raum zu platzieren. Stimmt die tonale Balance nicht, verschieben wir die Musiker und nicht die Mikrofone“. Es soll der Höreindruck vermittelt werden, den ein Zuhörer in einer der ersten Reihen im Konzertsaal hat.

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Projekt Highlights

Acht Ensembles aus Holland, aufgenommen während zwei Tagen (Klassik und Jazz)
Aufnahmeort: Dutch Music Center for Broadcast, Hilversum (Studio 2)
Aufnahmeformat: DSD 256fs, 1 Bit
Jedes Ensemble spielt 1 oder 2 Musikstücke
Das beste Take wird zusammen mit dem Ensemble ausgewählt.
Die tonale Ausgewogenheit wird durch die Positionierung der Musiker (Instrumente/Stimmen) in Relation zu den Mikrofonen erreicht.
Keine Nachbearbeitung (Schneiden/Nachhall, Pegelanpassungen usw.)
Verfügbar als Stereo und Mehrkanalversion im DSD Format (64/128/256fs), aber nicht als, CD/SACD/Vinyl oder einem anderen Datenformat (PCM).
Von der Aufnahmesitzung existiert eine vollständige Video Dokumentation.
Link zum reinhören

Das Video ist auf YouTube (YouTube-Link) abrufbar und gibt einen interessanten Einblick in den Aufnahmeprozess. So lässt sich der akustische Raumeindruck bei der Wiedergabe auf der heimischen Anlage mit der realen Situation am Aufnahmeort vergleichen. Interessant sind auch die Aussagen der Musiker, nachdem sie das Resultat im Regieraum abgehört haben!

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Hauptmikrofone für Stereo und Mehrkanalversion

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Stützmikrofone für Gesang und Gitarre (Transienten)

Leider ist dieses exzellente Album nur im DSD Format erhältlich. Jared Sacks ist überzeugt mit DSD das beste Aufnahmeformat zu haben. Ich teile diese Meinung in der absoluten Form nicht, schätze aber seine Aufnahmen ausserordentlich. Die Exzellenz seiner Alben, die unter dem Label Channel Classics veröffentlicht werden, ist nach meiner Auffassung in der akkuraten Aufnahmetechnik begründet. Dies ist wiederum von der Tatsache beeinflusst, dass das DSD Format nicht bearbeitet werden kann, ausser man konvertiert es in ein PCM Format, was bei den meisten DSD Veröffentlichungen der Fall ist (inklusive SACD). Wie gesagt, die Aufnahmetechnik ist das bestimmende Qualitätselement. Ob das Ganze dann im DSD oder PCM Format gespeichert wird, kann als nebensächlich betrachtet werden.

DSD – der heilige Gral?

Der ganze Hype um DSD ist eher fragwürdig. DSD wird als das „analog am nächsten“ Format portiert und als modernes Speicherformt angepriesen. In Wahrheit ist DSD ein altes Format, welches Mitte der 90er Jahre als Archivformat für analoge Masterbänder von Sony lanciert wurde. Da ein Masterband nicht mehr bearbeitet werden muss, spielt die 1 Bit Problematik hier keine Rolle. Ende der 90er Jahre diskutierte das DVD-Konsortium die  Lancierung eines HD-Audio-Formates auf einem DVD Träger, die spätere DVD-Audio Disc. Sony/Philips kam mit ihrem Vorschlag das 1 Bit DSD Format zu verwenden nicht durch und führte dann ein eignes Trägersystem ein, die SACD. Dabei ging es primär um Lizenzeinnahmen und nicht um das bestmögliche HD-Format. Das 1 Bit Format mit hoher Abtastung (64 x höher als die CD Samplingfrequenz von 44.1kHz) wurde aus den ersten 1-Bit-Sigma-Delta AD/DA-Wandlern abgeleitet, die Anfang der 90er Jahre auf den Markt kamen (wir werden in einem späteren Blog detailliert auf diese heute omnipräsente Wandler Technologie eingehen). Nun war bei der Markteiführung der SACD das 1-Bit-Sigma-Delta Prinzip bereits veraltet und wurde durch Multi-Bit-Sigma-Delta Wandler verdrängt, die mit 2, 4 oder mehr Bits arbeiten. Sony/Philips konnte die neue Technologie nicht anwenden, da die Speicherkapazität des physischen Trägers die höhere Datenmenge der Multi-Bit-Sigma-Delta Wandler nicht speichern konnte.

Auf channelclassics.com können die Alben als DSD oder PCM Dateien runtergeladen werden. Auf der Schwester Plattform nativdsd.com konsequenterweise nicht, da hier native DSD Dateien angeboten werden, die im Produktionsablauf nie ins PCM und wieder ins DSD Format umgewandelt wurden.

Diese ganzen Formatdiskussionen um DSD und PCM sind nach meiner Auffassung eher ein Tanz ums goldene Kalb als technisch substantiell. Die Marketingabteilungen der Hersteller blasen kräftig ins DSD-Horn, um sich vom Mitbewerber abgrenzen zu können, was diese wiederum zur Aufholjagd zwingt. Ach ja, und die Download Portale setzen die Preise für DSD-Files entsprechende höher an. Wichtig ist die akkurate Aufnahmetechnik, so wie Jared sie betreibt: Musikgenuss pur, das Dateiformat ist Nebensache!

Abhöranlage: Bowers & Wilkins 803 D3, Classé Vor- und Endverstärker CP-800 – CA-D200, Aria Music Server.