HD Transfer, HD Remaster. High Res Audio: Dichtung und Wahrheit (Teil 2)

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13 Januar 2016
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Die Mehrheit der angebotenen High Res Alben wurden nicht in einem High Res Format aufgenommen – vor allem im Pop Genre. Es sind somit keine echten High Res Alben, sie wurden lediglich in einen High Res Container gepackt. Auch Überspielungen von analogen Master Bändern erfüllen die im ersten Teil zu diesem Thema definierten Kriterien für HD-Audio nicht (hier der Link zum ersten Teil „HD, 2xHD und trotzdem kein HD“). Ein analoges Master Band kann klanglich auf sehr hohem Niveau sein, erfüllt aber in Bezug auf Dynamikumfang, Kanaltrennung, Linearität und Phasenstabilität die High Res Kriterien bei weitem nicht. Auch nicht den Red Book CD Standard. Ich spreche hier von Klangpräzision nicht von Klangpräferenz. Es kann trotzdem sinnvoll sein, die vom Zerfall bedrohten Masterbänder und Originalaufnahmen in einem High Res Format zu digitalisieren um wertvolle Aufnahmen zu erhalten. Die moderne Digital Audio Technik kann das analoge Material restaurieren und Unzulänglichkeiten der damaligen Aufnahmetechnik bis zu einem gewissen Grad ausmerzen. Zurzeit gelangen immer mehr dieser Alben im High Res Format auf den Markt. Lohnt es sich ein Album, welches man schon als CD oder LP besitzt, nochmals als HD-Ausgabe zu kaufen?  Ja und Nein!

HD-Transfer und HD-Remaster: von grauenvoll bis hervorragend

Man muss jede Neuausgabe im HD-Format kritisch beurteilen. Nachfolgend einige Beispiele – gute und schlechte – die helfen das Thema zu verstehen. Diese Beispiele sollen als Orientierungs- Entscheidungshilfe dienen.

HD Transfers sind Überspeilungen von analogen Bändern (d.h. analoge Aufnahmen) in die digitale Domäne. Die Konvertierung in ein HD-Format von 88.2kHz/96kHz – 24Bit ist sinnvoll. Diese Formate verfügen über genügend Frequenz- und Dynamikumfang um den nötigen Freiraum für die Nachbearbeitung zu gewährleisten. Das oft gehörte Argument, man müsse ein analoges Signal mit einer möglichst hohen Samplingfrequenz abtasten (96kHz, 192kHz, 384kHz), damit die analoge Wellenform möglichst genau gespeichert werden kann, ist falsch  (Hintergrundinformationen zu diesem Aspekt finden Sie hier Blog Digital Basics). Massgebende Kriterien sind Dynamikumfang (dB/Bit) und Frequenzumfang (Hz/Samplingfrequenz in kHz) der Originalaufnahme und des Zielformates.

Nicht jeder HD-Transfer mit nachfolgender Nachbearbeitung, sei es nun Restauration oder Remastering, kann als gelungen bezeichnet werden. Dies hängt nicht zuletzt auch von der Qualität des Quellmaterials ab. Ein analoges Masterband ist mindestens die dritte Bandgeneration, denn kein Tonmeister riskiert es mit dem Originalband zu arbeiten. Mit jeder Bandkopie gehen 3dB Dynamikumfang verloren, nehmen Verzerrungskomponenten zu. Ebenso unterscheidet sich eine Aufnahme aus den späten 50er und frühen 60er Jahren erheblich von dem was und wie im Jahrzehnt vor und nach der Einführung der CD in den Aufnahmestudios produziert wurde. Paul Simons Alben eignen sich sehr gut um diesen Epochenaspekt zu beleuchten.

A) Sounds of Silence

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Das Folk-Rock Album „Sounds of Silence“ von Simon und Garfunkel erschein 1966. Es ist als SD (Standard Definition) und HD Version bei diversen Anbietern erhältlich. Hier die Spektralanalyse der SD Version des Titels „April Come She Will“:

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Bild 1: Der Track 9 „April Come She Will“ ist ein ruhiger Titel mit akustischer Gitarre und Gesang (CD Release von 1992). Das Frequenzspektrum der analogen Aufnahme reicht knapp über 20kHz. Oberhalb von 18kHz werden die schwachen Signalanteile zunehmend von Bandrauschen überdeckt.

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Bild 2: Track 9 „April Come She Will“ Frequenzspektrum der HD-Version von 2014 (24/96). Das Rauschen endet abrupt bei 22kHz. Die HD Version ist offensichtlich nur eine CD in einer grösseren Verpackung. Oberhalb von 22kHz ist nichts! Nur Nullen auf der Festplatte.

Klingt nun die HD Version trotzdem besser – oder nur anders? Ja, es klingt anders, aber nur weil der Pegel der HD Version gegenüber der SD Version um knapp 3 dB lauter ist. Zudem ist die Dynamik komprimiert SD = DR12, HD = DR10. Korrigiert man den SD Pegel um 3 dB bei der Wiedergabe schmelzen die Unterschiede dahin.

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Bilder 3 und 4: SD oben, HD unten.

Die Dynamikkompression und die Pegelanhebung der HD Version ist auch in Adobe Audition deutlich an der Hüllkurve erkennbar:

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Bild 5: Die Hüllkurve von „April Come She Will“ stellt die Messungen der Bilder 3 und 4 grafisch dar.

Fazit: die HD Version von „Sounds of Silence“ gehört in die Kategorie HD Bluff – es wird mit plumpen Tricks gearbeitet. Die Klangunterschiede stammen von einfachen Signalmanipulationen. Die Quelle für die HD Version ist offensichtlich ein digitaler Master und nicht das analoge Masterband aus dem Jahre 1966. Vermutlich ist dieses nicht mehr spielbar oder war nicht verfügbar. Die Dynamikkompression lässt das Musikstück druckvoller erscheinen, raubt ihm aber feine Details. Der Hauptgrund von High Definition bei Ton und Bild ist die Wiedergabe von feinen Details. Insofern ist die HD Version von „Sounds of Silence“ eine Farce: diese Version hat weniger Details. Bei HD Tracks ist das Album für USD 24.98 ausschliesslich im „audiophilen 192kHz Format“ erhältlich. Die SD Version gibt’s bei Qobuz zum halben Preis. Wenn wir aber wissen, dass oberhalb von 22kHz nichts vorhanden ist, ist der Mehrpreis für die HD Version nicht gerechtfertigt, ein Neukauf sinnlos.

B) Graceland

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Paul Simons Album Graceland stammt aus dem Jahre 1986. Es vereint westliche Folk- und Popmusik mit afrikanischer Musik und wurde zusammen mit Musikern aus Afrika aufgenommen. Das erfolgreiche Album wurde weltweit über 14 Millionen verkauft. Das mit zwei Grammy-Awards ausgezeichnete Werk ist das erfolgreichste Soloalbum von Paul Simon.

Als Vergleich zwischen der SD und HD Version (24/96) des Albums wurde die CD aus dem Jahr der Veröffentlichung und die HD Version der 25th Anniversary Edition“ verwendet. Vorab: Hände weg von jeder Version dieser Jubiläumsausgabe. Ich habe die Alben für die High Res Blog Serie mehr oder weniger zufällig ausgewählt. Die technische Analyse erfolgte nach der Auswahl. Die Resultate sind somit nicht gesucht, sondern sind das Abbild einer zufälligen Stichprobe.

Die pseudo HD Version ist satte 8.63 dB lauter als die SD Version (CD) aus dem Jahr 1986. Die extreme Dynamikkompression verfälscht das Musiksignal massiv. Der DR Wert sinkt von hervorragenden DR16 auf DR8 runter. Im Weiteren war eine 16Bit/44.1kHz Version der Ausgangspunkt für die Nachbearbeitung. Die Spektralanalyse verdeutlicht:

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Bild 6: Track „ Diamonds on the Soles of Her Shoes”, Album “Graceland “25th Anniversary Edition”. Die klare Abrisskante bei 22.05 kHz belegt die CD-Herkunft. Die Ultraschallanteile oberhalb von 22kHz wurden dazugerechnet, sind künstlich erzeugt (24/96 HD Remaster von 2012).

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Bild 7: Die massive Dynamikkompression ist ein Tribut an die Anforderungen des Massenmarktes und bedeutet eine massive Klangverschlechterung. Das Ganze dann noch in einen HD Container zu packen ist sinnlos. Der „HD-Remaster“ nutzt nicht einmal den Dynamikumfang einer Compact Cassette.

Fazit: Ein kaputt bearbeitetes Album, das als teures Qualitätsprodukt angepriesen wird. Punkt – mehr gibt es dazu nicht zu sagen. (Mehr Infos zum Thema Dynamikkompression finden Sie im Blog „Verstümmelte Musik: wie Dynamikkompression und Datenreduktion die Musik verändern“ Link)

C) The Rhythm of the Saints

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Das dritte Album der Paul Simon Reihe ist „The Rhythm of the Saints“ aus dem Jahr 1990, der HD-Remaster ist von 2011 (24/96). Vorab: diese Neuauflage macht eher Sinn. Schauen wir uns vorweg die technische Analyse an.

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Bild 8: Die HD Version von 2011 weist auch hier keine Frequenzanteile oberhalb von 22.05kHz auf. Somit hat die Quelle SD-, respektive CD-Auflösung. Der mittlere Pegel der HD-Version ist 1.5 dB lauter, der Dynamikumfang DR10 (SD = DR13) ist geringer.

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Bild 9: Intro Track „Coast“ bei 15 Sekunden Spielzeit, Einsatz Gitarre. Die Kanäle der HD Version (rot) sind gegenüber der SD Version von 1990 (grün) invertiert, was aber kein wirkliches Problem ist. Gut erkennbar ist die Pegelanhebung bei der HD Version (Differenz Spitzenpegel SD = -16dB, HD = -13.5dB).

„The Rhythm of the Saints“ kann zu den besseren Remasters gezählt werden. Die Bearbeitung hebt einzelne Klangspektren und Instrumente hervor. Die Gitarrensaiten klingen deutlicher, haben mehr Prägnanz. Die hohen Perkussionsstimmen neigen in der SD Version im Gesamtklang unterzugehen. Die HD Version bring hier eine bessere Klangbalance trotz geringerer Gesamtdynamik. Nur High Definition Audio ist die HD Version dieses Albums nicht. Als Remastering Arbeitsplattform bietet sich das 24Bit/96 kHz Format an. Der grössere Arbeitsraum ermöglicht die Arbeiten genau und mit einer grossen Sicherheitsmarge auszuführen. Auch die anschliessende Distribution in diesem Format geht in Ordnung, denn ein generelles runterrechnen auf 16Bit/44.1kHz kann zu Rundungsfehlern und Quantisierungsverzerrungen führen, wenn kein Dither hinzugefügt wird. Die Frage bleibt, ob es dann gerechtfertigt ist eine Preisdifferenz zwischen der SD und HD Version des Remasters zu machen. Ich meine nicht. Spitzfindig gesagt,  müsste die SD Version teurer sein, denn diese Version erfordert einen Arbeitsschritt mehr.

Fazit: Zusammenfassend für die ganze Kategories dieser HD-Remasters gilt: die Klangunterschiede stammen nicht von der höheren Auflösung des HD Formates, sondern durch Veränderung der inneren Struktur der originalen SD Aufnahmen. Ob das Resultat überzeugt, respektive ein Klangvorteil bringt, hängt von der Arbeitsqualität des Toningenieurs ab und den kommerziellen Vorstellungen des Produzenten.

Noch älter! Wird’s dann besser oder noch schlechter?

Als letzten Punkt für heute schauen wir uns eine der markantesten Alben der jüngeren Musikgeschichte an: Harry Belafontes „Belafonte Live at Carnegie Hall“. Die Aufnahme von Bob Simpson entstand anlässlich von zwei Benefiz Konzerten im April 1959 live in der Carnegie Hall, New York. Das Doppelalbum ist ein Dauerbrenner über all die Jahrzehnte des Tonträgerverkaufs. Es überrascht daher nicht, dass auch hier eine HD-Version auf dem Markt erhältlich ist.

D) Belafonte Live at Carnagie Hall

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Wir betrachten zwei Stücke aus diesem Doppelalbum: „Sylvie“ und „Cotton Fileds“. Die in diesen Artikel verwendete SD Version ist die CD Veröffentlichung von 1993.

Dieser HD Transfer (24/96) ist gelungen. Offensichtlich wurde nicht einfach der CD Master von 1993 bearbeitet, wie wir dies bei Paul Simons Alben gesehen haben, sondern auf ein analoges Master zurückgegriffen. Auf welches liess sich nicht eruieren. Betrachten wir die  Frequenzspektren der HD Ausgabe:

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Bild 10: „Sylvie“ Das Frequenzspektrum reicht deutlich bis 25kHz, danach sind die noch schwachen Frequenzanteile nahezu vollständig von Rauschen überdeckt.

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Bild 11: „Cotton Fields“ Das Frequenzspektrum reicht ebenfalls bis 25kHz, danach sind die noch schwachen Frequenzanteile nahezu vollständig von Rauschen überdeckt.

Die Spektralanalyse lässt darauf schliessen, dass die HD Version von einem analogen Masterband stammt. Da es nicht sicher ist, ob das Band von 1959 noch spielbar ist, könnte der Transfer auch von einer späteren Sicherungskopie abstammen.

Die HD Version bringt Belafontes Stimme bei beiden Stücken feiner, fokussierter und weniger rau. Der Raum um die Musiker ist ruhiger, leicht tiefer wahrnehmbar. Piano und Schlagzeug bei Cotton Fileds wirken befreiter, das Ganze fliesst (schmiert) weniger ineinander. Grundsätzlich ist „Belafonte Live at Carnegie Hall“ eine bemerkenswerte Aufnahme. Die oft bei analogen Aufnahmen verschwommenen, ineinander fliessenden Stimmen und Instrumente sind hier deutlich fokussiert. Die HD Version steigert diese Details.

Fazit: Dieser HD-Transfer ist wirklich gelungen und empfehlenswert, selbst wenn man die Aufnahme schon besitzt. Die Pegeldifferenz zur SD Version beträgt 0.5 dB die DR Werte sind nahezu identisch. Als HD Transfer kann man die behutsame Überspielung von analogen Masterbändern bezeichnen. Markant ist, dass auf massive Signal Manipulationen verzichtet wird. Es geht ums restaurieren. Man versucht Unzulänglichkeiten der damaligen Technik, wie Rauschen zu entfernen. Aber immer nur soweit, dass nicht mehr verloren geht als gewonnen wird. So scheint auch diese Belafonte Neuveröffentlichung leicht entrauscht worden zu sein. Es geht ebenfalls darum Sünden früherer Remasters zu vermeiden. Die Rauigkeit der Belafonte Stimme der 1993 CD Ausgabe kommt sehr wahrscheinlich von einer Pegelanhebung im Bereich zwischen 1kHz und 3kHz, die in einigen Tracks vorhanden ist.

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Bild 12: Track „Sylvie“, CD 1993. Pegelanhebung im Bereich zwischen 1kHz und 3kHz (Equalizer) ist deutlich erkennbar, vor allem beim Klatschen am Schluss des Stückes.

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Bild 13: Track „Sylvie“, HD Version. Pegelanhebung im Bereich zwischen 1kHz und 3kHz (Equalizer) ist nicht sichbar. Die Schallenergie baut sich gleichmässig zu hohen Frequenzen hin ab.

HD Remaster, HD Transfer sind häufig angewendete Techniken um bestehende Aufnahmen aus der rein analogen Epoche aber auch digitale Aufnahmen aus den 80er und 90er Jahren Nachzubearbeiten (Remastering). Ob die HD-Version besser oder schlechter klingt als die Erstausgabe oder eine frühere Nachbearbeitung ist bei jedem Album kritisch zu prüfen. Tipps und Auswahlkriterien später.

Im dritten Teil dieser Blog Reihe geht es ausschliesslich um Neuaufnahmen aus den letzten Jahren in denen HD Aufnahmeequipment bereits verfügbar war. Wie sieht es hier aus mit wirklicher HD-Qualität? Stay tuned…