Mittendrin oder nur am Rande dabei? Quadrophonie Revival.

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18 September 2015
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Wie Mehrkanal-Audio das Musikerlebnis dramatisch steigert

Bereits in den 70er Jahren sollte die Quadrophonie den Horizont erweitern, den Hörer vollständig  ins Musikgeschehen einbinden und den Aufnahmeraum in allen Dimensionen in den Wohnraum projizieren. Die Limiten der damaligen Technik und zwei rivalisierende Systeme verhinderten eine erfolgreiche Markteinführung. Das Strohfeuer Quadrophonie erlosch und geriet in Vergessenheit. Erst mit der Lancierung der SACD im Jahr 2000 fand Mehrkanalaudio eine neue Plattform, sogar als DSD-HD-Format. Enthusiastisch wurden Mehrkanal-SACD Spieler im Markt eingeführt. Der Mehrkanalton, meist in einem 5.0 oder 5.1 Format, wurde analog vom Spieler ausgegeben, eine digitale Schnittstelle gab es aus urheberrechtlichen Gründen nicht und Mehrkanal D/A-Wandler ebenfalls nicht. AV-Receiver sprangen in die Lücke und erlaubten mit ihren 7.1-Analog-Eingängen die zusätzlichen  Audiokanäle zu verarbeiten. Nur sind AV-Receiver primär auf knackigen Kinosound getrimmt und nur in Ausnahmefällen musikalische Feingeister. Die Musikindustrie produzierte – vorab im Klassik Genre – fleissig Hybrid-SACDs mit Zwei- und Mehrkanaltonspuren. So stapeln sich nun heute die Surround-Scheiben bei vielen Musikliebhabern, die ihr faszinierendes Klagpotential aber nur in stereophoner Form entfalten können. Wieder ein Strohfeuer, das allerdings seit Jahren vor sich hin glimmt. Entfachen wir die Glut zu einem Klangfeuerwerk!

Mit dem Einzug von Computer Audio ist die Musik nicht mehr an ein starres System von physischem Tonträger und passendem Abspielgerät gebunden. Unterschiedliche Formate und Konzepte können nebeneinander existieren und im gleichen Gerät abgespielt werden. Der Zwang zur Einigung auf ein System, wie es bei CD und DVD gelungen ist und notwendig war, braucht es nicht mehr. Weder die Anzahl der Wiedergabekanäle noch die unterschiedlichen Tonformate sind ein Problem. Es braucht auch keine Gerätetürme, will man die Möglichkeiten voll nutzen. Quadrophonie, respektive Multikanalaudio kann ungehindert Einzug halten.

Classé Audio bietet mit dem Sigma SSP heute einen superb klingenden und allen Anforderungen gewachsenen DSP-Mehrkanalvorverstärker an. Er ist das Kontroll- und Rechenzentrum der diese Vielfalt bündelt, verarbeitet und im Hörraum entfalten lässt.  Mit dem Sigma SSP lässt sich die Mehrkanalspur unserer SACDs ebenso nutzen, wie die Wiedergabe von neu erworbenen Stereo- und Mehrkanal-Downloads auf audiophilem Niveau.

Was bringt Musik-Surround?

Man kann es auf einen einfachen Nenner bringen: mittendrin! Mit der Stereophonie erzeugen wir ein dreidimensionales Abbild des Musikgeschehens. Wir nehmen die Klangbühne ab der Lautsprecher Grundlinie wahr und hören, je nach Qualität der  Aufnahme, in die Tiefe des Aufnahmeraumes hinein. Im Gegensatz dazu erzeugen die beiden hinteren Lautsprecher eines Musik-Surround Systems die von den Rück- und Seitenwänden des Konzertraumes reflektierten Schallwellen. Wir hören nicht in einen Raum hinein, wir sind im Raum drin! Dabei wird der Klangkörper (Orchester, Band; Musikgruppe) immer von vorne wahrgenommen, wie in einem Live Konzert. Hört man Musik aus den hinteren Lautsprechern, dann sind diese entweder zu laut eingestellt, oder im Mastering Studio wurden bewusst Signalanteile und nicht nur Hallanteile auf die hinteren Kanäle gemischt. Diese „billigen“ Surround Effekte mögen aufs Erste vergnüglich sein, gehen aber schnell auf die Nerven, da dies nicht der normalen Konzertrealität und unseren Hörgewohnheiten entspricht. Sind die hinteren Lautsprecher richtig auf- und eingestellt, werden diese nicht bewusst wahrgenommen. Man „hört“ sie erst, wenn sie abgeschaltet werden: der Raum klappt nach vorne, man ist nicht mehr mittendrin.

Welches System, wie viele Lautsprecher sind notwendig

Die Quadrophonie der 70er Jahre arbeitete mit vier Kanälen/Lautsprechern, wie der Name verrät. Mit diesem Grundlayout kann ein Musik-Surround System perfekt arbeiten. Ein Mittenlautsprecher ist nicht zwingend notwendig. Im Gegenteil: ist der Center-Lautsprecher nicht auf dem gleichen Qualitätsniveau wie die Hauptlautsprecher, verliert das System an Homogenität, die vordere Raumabbildung ist schlechter als bei reiner Stereo Wiedergabe. Der Mittenlautsprecher ist im Kinomodus notwendig, damit auch die Zuschauer ausserhalb der Mittenachse eine korrekte Mittenlokalisation haben. Der Sigma SSP ermöglicht mehrere Konfigurations Voreinstellungen. So lassen sich bis zu sechs unterschiedliche Lautsprecher-Layouts von Stereo, über Quadrophonie bis hin zum Kinomodus mit Subwoofer abspeichern und einem bestimmten Eingang zuordnen. So wird automatisch mit der Quellenwahl das richtige Lautsprecher-Layout eingestellt.

Eintauchen und nicht nur dabeistehen- ausgewählte Alben

Die vorgestellten Alben hören wir über ein 4.0 Lautsprecher Layout. Zuspieler für den Classé Sigma SSP ist der Oppo SACD-Spieler BDP-103D, der die hochaufgelösten Mehrkanaldaten digital über die HDMI Schnittstelle im PCM Format an den D/A-Wandler im Sigma SSP ausgibt. Als Lausprecher kommen die neuen Bowers & Wilkins 804 D3 (vorne)  und 805 D3 (hinten) zum Einsatz, die vom Classé Sigma Amp5 angetrieben werden (5x200Watt/8 Ohm Ausgangsleistung).

sigma-804d3

Wie klingt nun Musik-Surround? Hier einige ausgewählte Aufnahmen in unterschiedlicher Qualität. Wir beurteilen hier nur die Aufnahmequalität und die Surround-Abmischung.

alben-collage

The Police – Every Breath You Take

Gutes Raumvolumen im Stereo und Surround Modus, zu viel Schlagzeugeffekte in den hinteren Kanälen, insgesamt eine gute Aufnahme mit kleinen Schwächen, mit denen man aber Leben kann. Die in Stereo eher flach klingende Einspielung blüht in der Multi-Channel Version richtig auf.

Pink Floyd – Dark Side of the Moon

Pink Floyd zeigt wie’s sein muss. Surround Effekte werden sinnvoll eingesetzt (Intro), die Musik erklingt nur von vorne, es wird eine phänomenale Räumlichkeit erzeugt die Musik fliesst von vorne in die Raummitte und fesselt den Hörer. Eine exzellente Umsetzung. Ist bei einer Klassik Aufnahme das Einfangen der Rauminformation das Ziel, können bei zeitgenössischer Musik die zusätzlichen Kanäle durchaus kreativ eingesetzt werden. Die Dark Side of the Moon Abmischung zeigt, wie sowas überzeugend umgesetzt werden kann – ohne plumpe Mehrkanal-Effekthascherei.

Groove Armada – Goodbye Country (Hello Nightclub)

Scheussliche Abmischung mit sehr störenden Phaseneffekten. Content wird in alle Kanäle gemischt. Es entsteht ein eher verwirrendes Klangbild, welches den Hörer orientierungslos zurück lässt. So ist Quadrophonie kaum zu geniessen, dreht sich ein Vorteil ins Negative.

Herbert Gröhnemeier – Mensch

Diese mittelmässige Aufnahme hat schon im Stereo Modus eine eingeschränkte Klangbühne mit der Tendenz das Klangeschehen an den Seiten zu produzieren. Die Aufnahme klingt insgesamt verhalten mit unscharfen Konturen. Im Surround Modus werden den hinteren Kanälen zu viele Informationen aus den Hauptkanälen beigemischt. Es stellt sich eine störende Hintenlokalisation ein. Die Aufnahme kommt in Stereo besser rüber.

Rebecca Pidgeon – Retrospective

Schon die Stereo Variante erzeugt eine für Pop Einspielungen erstaunliche Raumillusion, die im Quadro Modus noch überzeugender rüberkommt. Eine exzellente Chesky Aufnahme, die deutlich zeigt, was eintauchen in die Musik für Emotionen hervorrufen kann. Die Tonalität der Zwei- und Mehrkanal Variante ist gleich, der Raum öffnet sich, man taucht vollständig in die Musikdarbietung ein.

Grieg – Klavierkonzert Nr. 1 (BIS) / Mozart Klavierkonzerte KV466/491 (cmn)

Mit klassischer Musik steigt Mehrkanalaudio zu voller Blüte auf. Die rein akustischen Instrumente bei Klassik werden immer in einem der Musik entsprechenden Raum aufgenommen. Diesen Raum gilt es in den Wohnraum zu transportieren. Dies zeigt sich exemplarisch mit der beim Label BIS auf SACD erschienen Aufnahme von Griegs erstem Klavierkonzert. Bereits die Stereo variante überzeugt und vermittelt Musikgenuss vom Feinsten. In der Surround Version öffnet sich nicht nur der Raum in allen Dimensionen, auch das Klavier und Orchester gewinnen an Grösse und Realismus.

Das gleiche Muster stellt sich bei den beiden Mozart Klavierkonzerten KV 466 und KV 491 in der Einspielung mit Ana-Marija Markovina für das cmn Label ein: feine Streicher und ein völlig im Raum stehende Klangkörper begeistern ungemein.

Fazit

Wie bei Stereo variiert die Aufnahmequalität auch bei Multikanal. Allerdings ist die Bandbreite bei Mehrkanal grösser, das Erlebnis und der Genuss intensiver, wenn die Aufnahme gut ist. Ist sie es nicht, dann kann – wie im Fall Groove Armada – nur durch Reduktion auf Zweikanal ein Album einigermassen erträglich gehört werden.

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Der Sigma SSP schlägt eine Brücke zwischen einem High-End Vorverstärker und einem AV-System für Heimkinowiedergabe. Als HiFi-Vorverstärker mit HDMI Anschlüssen kann er den Mehrkanalton einer SACD digital im High-Res-Format übernehmen und mittels des eingebauten D/A-Wandler decodieren und an die Endstufe weiterleiten.

Weiter Informationen zu Classé Sigma

Bezugsquellen für Mehrkanal Aufnahmen:

iTax: Dieses Label bietet die Alben konsequent als Stereo und Mehrkanal-Einspielung an. Als Besonderheit sind zwei Surround Varianten erhältlich: Stage und Audience: Stage bildet den Höreindruck auf der Bühne ab und Audience eine Hörposition im Konzertraum.

Qobuz Multikanal-Auswahl: Die Auswahl bei Qobuz ist noch klein, wächst aber stetig.

Channel Classics: Das Label von Jared Sacks bietet Aufnahmen vom Feinsten an. Diese werden als SACD und PCM/DSD-Downloads angeboten.

Multichannel SACDs finden Sie im CD-Fachhandel und bei Müller & Spring in Brugg (Laden und Online).