Superlative Elbphilhamonie Hamburg.

Erste Aufnahme: ist der Konzertsaal zu Hause erlebbar?

Erstellt von:
20 Februar 2017
In Blog
4.582 AUFRUFE

Die Elbphilharmonie ist ein Bauwerk der Superlative – in jeder Hinsicht: architektonisch, technisch und kostenmässig. Uns als Musikliebhaber interessiert in erster Linie der grosse Konzertsaal, der akustisch hervorragend sein soll und schon jetzt als einer der besten Konzertsäle der Welt gilt. Die bisher nicht gekannte Kombination von Raumentfaltung, Materialeinsatz-, Formen- und Oberflächengestaltung zieht zwangsläufig jeden Besucher in den Bann. Als akustische Attribute werden dem Saal Transparenz und Wärme attestiert. Eigentlich ein Gegensatz. Gemeint ist offensichtlich ein klarer, ausgewogener Klang, ohne Bassanomalien, ohne Akzentuierung oder Dämpfung eines Frequenzspektrums. Somit wird ein kühles bis aggressives aber auch diffuses Klangbild verhindert. Ein Konzertraum für unterschiedliche Musikgenres, nicht nur für Klassik. Ein Tag nach dem Eröffnungskonzert vom 12. Januar 2017 erschien bereits das erste, in der Elbphilharmonie aufgenommene Album mit zwei Brahms Symphonien. Gelingt es der Aufnahme die besondere Akustik des grossen Saals einzufangen? Ist ein Aufnahme-, Speicher- und Wiedergabesystem überhaupt fähig diese Akustik einigermassen glaubwürdig in einen Wohnraum zu transportieren?

First Recording – Brahms Symphonien

Die Aufzeichnung von Brahms 3. und 4. Symphonie erfolgte im November 2016 mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester unter Thomas Hengelbrock. Was lag näher als Brahms, der 1833 in Hamburg geboren wurde und die ersten Jahrzehnte in Norddeutschland lebte, bevor er 1872 endgültig nach Wien übersiedelte. Die beiden eingespielten Symphonien sind Spätwerke aus der Schaffensperiode 1883 bis 1885. Brahms rang lange mit der symphonischen Gattung, denn nach Beethoven Symphonien zu schreiben war für viele Komponisten eine Herausforderung. Die vier Brahms Symphonien entstanden in zwei Schaffensperioden. An der 1876 uraufgeführten ersten Symphonie arbeitete Brahms, mit Unterbrechungen, während 14 Jahren. Die in der Einspielung mit dem Elbphilharmonie Orchester vorliegende 3. Symphonie wird als die reifste und komplexeste Brahms Symphonie beschrieben.

Symphonien aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden für zunehmend grössere Orchester geschrieben. Zu Haydns Zeiten in Esterhazy bestand ein Orchester aus rund 30 Musikern. Die Klangkörper wuchsen stetig und umfassten 100 Jahre später das zwei bis dreifache eines Haydn Orchesters. Neue Konzertsäle füllten sich mit dem aufstrebenden Bildungsbürgertum. Das Elbphilharmonie Orchester umfasst 103 Musiker. Ein Klangkörper dieser Grössenordnung braucht einen entsprechenden Aufführungsraum.

CD und 24/96 Download Box-Set mit CD, DVD und 56 seitigem Booklet. Die DVD enthält eine NDR Dokumentation über die Elbphilharmonie.

Architektur- und Akustikkonzept

Der typische Konzertsaal hat Schuhkartonformat – der Standard im 19. Jahrhundert. Beispiel: Tonhalle Saal in Zürich, 1895 erbaut und in Gegenwart von Johannes Brahms eingeweiht. Das Gegenstück zum klassischen Frontalkonzept – vorne die Bühne und Akteure und nach hinten aufgereiht die Konzertbesucher – ist das Arena oder Weinbergkonzept, wie wir es in der Elbphilharmonie oder der Berliner Philharmonie vorfinden. Mozart, Haydn und Beethoven führten ihre Werke mehrheitlich in mittleren bis grossen Sälen der Adelshäuser und Schlösser auf. Diese primär für gesellschaftliche Anlässe und Bälle konzipierten Räume waren mit ihren schallharten Grenzflächen hallig und für Musikdarbietungen nicht ideal. Ein Konzert- oder Schauspielhaus sollte im 19. Jahrhundert dem aufstrebenden Bürgertum eine Bühne für künstlerische Darbietungen bereitstellen. Die Akustik soll an möglichst allen Sitzplätzen gut sein. Kein Saal kann diese Forderung erfüllen. Auch die Elbphilharmonie nicht, obwohl die mit modernsten technischen Hilfsmitteln errechnete und an Modellen ausgetestete Saalakustik das heute Machbare darstellt. (Akustik = Lehre vom Schall und seiner Ausbreitung).

Bild 1. Tonhalle Zürich, grosser Saal, eingeweiht am 19. Oktober 1895. Hier war Brahms bei der Eröffnung anwesend und stand am zweiten Tag selbst auf dem Dirigentenpult.

Bild 2: Elphilharmonie, grosser Saal, eröffnet am 12. Januar 2017

Bild 3. Die Saalpläne verdeutlichen die zwei Grundlayouts eines Konzertsaals. Nicht jeder Platz bietet die gleiche Akustik. Die Frage ist, wie stark der Unterschied zwischen einem guten und schlechten Platz ist und wie viele Plätze sich in der Kategorie gut befinden.

Das von den Basler Architekten Herzog und deMeuron konzipierte Gebäude und der vom Akustiker Yasuhisa Toyota errechnete grosse Konzertsaal stellen eine Meisterleistung dar. Ein Jahrhundertbauwerk von Weltrang. Nichts kam von der Stange, selbst die Beleuchtungskörper und die 82 Meter lange Rolltreppe zur Plaza hinauf nicht. Im arenaartigen Saal gruppieren sich die Hörplätze um das nahezu zentrische Orchester herum. Kein Sitzplatz ist weiter als 30 Meter vom Dirigenten entfernt. Der Saal soll hervorragend klingen, wie erwähnt transparent und warm. Die Saalhülle ist vom übrigen Gebäudekomplex entkoppelt und ruht auf 362 Federpaketen – der Saal schwebt quasi als Raum in der ihn umgebenden Hülle. So dringen keine störenden Umweltgeräusche, wie Schiffssirenen, hinein und die Musik nicht nach aussen in den Hotel- und Wohnbereich.

Es gibt kaum glatte Flächen. Die Saalwände, Oberflächen der Balkone weisen eine spektakuläre, wellenartige Struktur auf. Der Schall wird hier diffus gebrochen, was der Transparenz förderlich ist. Jede der rund 10‘000 aus Gips und Altpapier bestehenden Platten ist ein Unikat. Jede Wand- und Deckenplatte wurde individuell gefräst und am designierten Ort akribisch eingepasst, die Fugen mit Silikon versiegelt. Ein Reflektor Pilz in der Saalkuppel sorgt für optimale Schallverteilung durch gezieltes Lenken der frühen Reflexionen.

Bild 4. Oberflächenstruktur der Decken, Wände und Balkonabschlüsse. Blick in die Kuppel oberhalb des Reflektorpilzes.

Den Konzertbesucher als Dämpfungsfaktor betrachtet

Je nach Ausstattung klingt ein Saal ohne Publikum deutlich anders als mit Publikum. Jeder Zuhörer ist ein schalldämpfendes Element, vor allem bedingt durch die Absorptions-Eigenschaften seiner Kleider. Als Faustregel gilt, dass mit jedem Zuhörer ca. 0.8 m2 Absorptionsfläche in den Raum kommt. Akustiker Toyota hat dies berücksichtigt, denn er wollte dass der Klangcharakter bei Orchesterproben – und somit auch bei Aufnahmen – und Aufführung möglichst identisch ist. Dies hat er mit einer cleveren Gestaltung der Saalstühle erreicht. Hochgeklappt wirkt die speziell beschaffene Unterseite der Sitzfläche als Dämpfungselement, welches die Anwesenheit eines Zuhörers simuliert. Als weitere Raffinesse ist die Unterseite konkav geformt. Ein bereits anwesender Musikfreund hat somit mehr Rückzugsfläche zum Vorbeilassen eines später eintreffenden Konzertbesuchers. Trotz aller Akribie mit Computersimulationen, Messungen an Modellen und Versuchsanordnungen, bemerkt Toyota: „ dass am Ende erst beim Erklingen eines Orchester das schlussendliche Resultat feststeht“. Die Proben und Aufnahme der beiden Brahms Symphonien in der Elbphilharmonie im November 2016 dürfte der Lackmustest gewesen sein. Nun wie steht es um diese Aufnahme?

Kann man einen Konzertsaal anhand der Aufnahme beurteilen/erfahren?

Die Fragestellung ist: kann die Aufnahme der zwei Brahms Symphonien den Klangeindruck den wir als Teilnehmer des Live-Ereignisses hätten, 1:1 in den Wohnraum transportieren? Ist der Elbphilharmonie Saal oder jeder andere Konzertsaal im Hörraum zu Hause eindeutig reproduzierbar? Wir gehen mal von der Annahme aus, dass die Wiedergabekette zu Hause vollständig transparent ist (keine Eigenfärbung, zeitlich korrekt), die Lautsprecher präzis positioniert sind und der Wiedergaberaum keine prägenden Anomalien hat.

Was hört nun ein Zuhörer im Saal und welches Schallkonstrukt nehmen die Mikrofone auf?
Welche Paramater beeinflussen das Gehörte (Mensch im Saal) und das vom Mikrofon erzeugte elektrische Signal (Aufnahmetechnik)?

A) Akustik: eine von einem Instrument erzeugte Schallwelle breitet sich als Druckluftschwankung im Raum aus und wird von den Grenzflächen teilweise reflektiert und absorbiert.

  • Direkt- und Indirektschall überlagern sich.
  • Die Signalwellenform verändert sich über die Zeitachse und somit mit zunehmender Distanz zwischen Schallerzeuger und Hörer.
  • Das energieärmere Hochtonspektrum wird schneller abgebaut als der Mitteltonbereich und die tiefen Frequenzen halten die Energie am längsten.
  • Die sich an den Grenzflächen des Raums reflektierenden Schallwellen überlagern den Direktschall.
  • Die einzelnen Frequenzbereiche werden von einem Instrument auch unterschiedlich abgestrahlt und es gibt auch Unterschiede im Abstrahlverhalten zwischen den Instrumenten Gattungen.
  • Grundsätzlich ist die Form der Schallausbreitung frequenzabhängig.

Mit zunehmender Hördistanz wird die Musik dumpfer und weniger präsent, weniger akzentuiert wahrgenommen. Raumgrösse, -Geometrie und -Beschaffenheit formen den Klang. Ein wichtiges Kriterium ist der Hallradius. Der Radius wird als der Punkt im Raum definiert an dem die Energie von Direkt- und Indirektschall gleich gross ist und definiert somit die Ausdehnung des Direktschallfeldes.

Bild 5: Schallausbreitung im Raum

Bild 6: Schallausbreitung im Raum als Funktion von Energie und Zeit.

B) Mikrofonierung: Die technische Übertragungskette beginnt beim Mikrofon > Umwandlung in elektrische Energie und endet beim Lautsprecher > Rückwandlung von elektrischer Energie in Schallenergie (Luftdruckschwankungen). Je nachdem wo und wie die Mikrofone im Aufnahmeraum positioniert werden, ist der Saal mehr oder weniger als Raum hörbar. Mikrofone stehen in der Regel innerhalb des Hallradius. Je näher sie am Klangkörper stehen, desto direkter präsenter und nuancierter klingt die Aufnahme. Die Raumakustik ist so nur ansatzweise oder gar nicht hörbar. Mit zunehmendem Mikrofonabstand wird die Saalakustik hörbar, das Klangbild dünner, distanzierter und weniger detailliert. Es ist das Kunsthandwerk des Tonmeisters, hier die optimale Balance zu finden. Wobei die Präferenz von Tonmeister, Produzent und Künstler prägend sind.

Grosse Orchester, wie bei der Brahms Einspielung der zwei Symphonien, werden mit Haupt und Stützmikrofonen aufgenommen. Die Position der zwei oder drei Hauptmikrofone ist massgeblich, wie stark die Saalakustik hörbar ist. Stützmikrofone werden nah bei einzelnen Instrumenten oder Instrumentengruppen platziert, wenn diese zu wenig deutlich und zu distanziert wahrgenommen werden, respektive um die Klangbalance zu den Hauptgruppen herzustellen. Die Laufzeitdifferenz der Stützmikrofone zu den Hauptmikrofonen wird mittels Delay-Einheit ausgeglichen. Je nachdem wie stark die Stützinformation dem Signal der Hauptmikrofone beigemischt wird, verändert sich die Klangbalance des Orchesters, aber auch die Wahrnehmbarkeit des Raumes. Alternativ können die Hauptmikros höher und zentraler über dem Orchester positioniert werden. Damit verringert sich der Distanzunterschied zwischen den hinteren und vorderen Instrumenten. Die Saalambiance kann auch mit „Saalmikros“ aufgenommen und beigemischt werden.

Wir sehen, wie stark der Aufnahmesaal hörbar ist, hängt im Wesentlichen vom Tonmeister und der Mikrofonierung ab, aber auch von der (antizipierten) Hörerwartung des Endkunden beim Spielen der Aufnahme. Der Aufnahmesaal ist selten als solcher klar erkennbar oder eindeutig hörbar, er prägt aber auf jeden Fall den Klangcharakter der Aufnahme und ist somit indirekt immer präsent. Auf keinen Fall kann eine Aufnahme den Eindruck der im Saal anwesenden Hörer vermitteln. Dies ist per se nicht möglich und wird auch nicht angestrebt. Denn in jedem Bereich eines Konzertsaales klingt es unterschiedlich. Die grösste Übereinstimmung zwischen „Mikrofon- und Höreindruck“ ergibt sich in den vorderen Sitzreihen. Nur, wer wiederum zu nah beim Orchester sitzt nimmt Teile des Orchesters stärker war als andere (Klangbalance).

Die Mehrheit der Sitzplätze befindet sich im Diffusschallbereich. Eine Aufnahme in diesem Bereich würde zu Hause dumpf und verwaschen, das Orchester distanziert und dünn klingen. Manuel Brug Journalist und Teilnehmer am Eröffnungskonzert vom 12. Januar beurteilt die Akustik der Elbphilharmonie in seinem Artikel „Weltklasse geht anders liebe Hamburger“ auf Welt.de als wenig überzeugend. Er hatte einen akustisch ungünstigen Platz hinter dem Orchester in der Nähe der Bläser (siehe Bild 3). Sein Fazit: „Aber ich freue mich nicht, träume stattdessen von der Berliner Philharmonie (zehn Jahre Nachjustierzeit) oder der frischen in Paris, die vom ersten Ton an funktionierte. Da klingt es auf fast allen Plätzen, da hat die Musik Raum. In der Elbphilharmonie nicht. Jedenfalls nicht auf Block I, Reihe Vier, Platz 24. Kehrwiederspitze heißt hier ein nahes Inselende. Werde ich gern, aber nie, nie wieder auf diesem Sitz“. Kein Zweifel, an diesem Platz (zu nah und hinter dem Orchester) ist das Klangerlebnis suboptimal. Allerdings ist es gewagt, dann die Saalakustik anhand eines einzigen Konzerts zu beurteilen. Aber das Beispiel zeigt eindrücklich, wie komplex die Fragestellung nach der Abbildungspräzision eine Tonaufnahme sein kann, wenn der Bezugspunkt schon mehrdeutig ist.

Kein Saal klingt auf allen Plätzen gut, das ist physikalisch nicht möglich. Die Frage ist eher, wie schlecht klingt es an den ungünstigen Plätzen. Die Plätze in der Tonhalle Zürich im Zwischengang sind dermassen schlecht, das man auf einen Konzertbesuch besser verzichtet und mit dem Geld eine gute Aufnahme kauft (und diese natürlich auf einer guten Anlage hört). Die Akustik im besagten Quergang (die blauen Sitze Kat VI im Saalplan Bild 3) ist als wenn man im Foyer bei offenen Saaltüren zuhört.

Link zum Artikel in der Welt

Link auch auf PDF Doc des Artikels

Die Wiedergabe zu Hause

Der Wiedergaberaum zu Hause viel kleiner, folgt aber weitgehend den gleichen akustischen Faktoren (Gesetzmässigkeiten) der grossen Konzerträume. Wir stellen die Lautsprecher im Raum in Bezug auf die Raumakustik und den Hörplatz ein. Diesen wählen wir wiederum dort wo sich Direktschall und frühe Wandreflexionen in einem optimalen Verhältnis befinden. Stimmt die Mikrofonierung und Abmischung und stimmt zu Hause die Lautsprecheraufstellung, der Hörplatz und die Akustik des Wohnraums, dann erfahren wir ein ausgewogenes Klangerlebnis, hören die einzelnen Instrumentengruppen präsent und nuanciert und hören auch in den Aufnahmesaal hinein, nehmen seine Klangcharakteristik wahr, was natürlich wiederum eine entsprechende Aufnahme voraussetzt.

Hörvergleich: Brahms Symphonie Nr. 4, E-Moll, Op. 98

2. Satz: Andante moderato und 3. Satz: Allegro giocoso – Poco meno presto – Tempo I

  Orchester:

Dirigent:

Aufnahmeort:

Aufnahmedatum:

Label:

Dynamic Range:

Auflösung:

NDR Elbphilharmonie

Thomas Hengelbrock

Elbphilharmonie (grosser Saal)

November 2016

Sony

DR15/DR13 (Sätze 2&3), DR13-16 (Album)

24Bit/48kHz (Download)

Die Aufnahme ist tonal ausgewogen, bleibt aber bei der Transparenz unterhalb der heutigen Möglichkeiten, Hochtonbereich etwas zurückhaltend, eher warmer Klang, der traditionellen Hörgewohnheiten entgegen kommt. Der Saal selbst ist ansatzweise wahrnehmbar. Zeitweise scheinen die Stützmikrofone etwas stärker beigemischt zu sein, Tiefe und Saalakustik treten zurück. Ohne vor Ort ein Konzert – auf einem der guten Plätze innerhalb des Hallradius – gehört zu haben, kann die Akustik der Elbphilharmonie nicht schlüssig beurteilt werden, sicher nicht anhand dieser Ersteinspielung. Interpretatorisch ist die Einspielung mit Henegelbrock auf gutem Niveau, aber wenig spektakulär (was nicht zwingend sein muss).
  Orchester:

Dirigent:

Aufnahmeort:

Aufnahmedatum:

Label:

Dynamic Range:

Auflösung:

Tonhalle Orchester Zürich

David Zinman

Tonhalle Zürich (grosser Saal)

April 2010

RCA

DR14/DR13, DR13-15

16Bit/44.1 kHz (Download)

Der Tonhalle Saal neigt eher zu einem diffusen, hochtonarmen Klang, sofern man nicht im vorderen Saaldrittel sitzt. Die Zinman Einspielung klingt aber alles andere als verhalten oder diffus. Im Gegenteil, sie ist transparent und klar, die Instrumente sind fokussierter als bei der Aufnahme mit Hengelbrock. Die Abbildungsbreite ist allerdings etwas eingeengt, füllt den Raum zwischen den Lautsprechern nicht immer vollständig aus. (Live Aufnahme). Die Saalakustik wurde offensichtlich bewusst zurückhaltend aufgenommen, wohl auch um die Nebengeräusche des Publikums zu unterdrücken.
  Orchester:

Dirigent:

Aufnahmeort:

Aufnahmedatum:

Label:

Dynamic Range:

Auflösung:

Gewandhausorchester Leipzig

Riccardo Chailly

Gewandhaus Leipzig

Mai 2013

Decca

DR14/DR11, DR10-14

24Bit/96kHz (Download)

Chailly Einspielungen der Beethoven und Brahms Symphonien werden von der Kritik mehrheitlich gelobt: akribische Feinzeichnung, Beschäftigung mit dem Urtext und die Aufnahme alternativer Einleitungen und Sätze. Ein unverstellter Blick auf Brahms. Die interpretatorisch wertvolle Neueinspielung, bedient sich allerdings einiger Tricks aus der Popproduktion: Dynamikkompression und Nahfeldmikrofonie – hier in Form von stärkerer Gewichtung der Stützmikrofone – ergeben ein anspringendes, aber auch rauhes Klangbild mit wenig Tiefenstaffelung. Ein Teil der Kritiker scheinen diesem Trick erlegen zu sein, haben die Aufnahmen offensichtlich auf eher bescheidenen Wiedergabesystemen gehört, was zusammen mit Chaillys frischer Interpretation eine ungewohnte Hörerfahrung ergibt. Auf einem guten System werden die Manipulationen offensichtlich und sind zeitweise störend.
  Orchester:

Dirigent:

Aufnahmeort:

Aufnahmedatum:

Label:

Dynamic Range:

Auflösung:

Budapest Festival Orchester

Adam Fischer

Palast der Künste, Budapest

April 2013

Channel Classics

DR14/DR13, DR12-14

24Bit/96kHz (Download, Aufnahmeformat: DSD)

Jared Sacks native DSD Produktionen zählen zum Besten was es auf dem Markt in Bezug auf Aufnahmequalität gibt – im Sinne von präzis, unverfärbt und differenzierter Abbildung des Aufnahmeraumes. Brahms Vierte interpretiert Fischer auf gewohnt hohem Niveau, mit fliessenden Tempi und klarem Orchesterbild. Die tendenziell warm, aber dennoch transparent klingende Aufnahme lässt den Aufnahmeraum gut erkennen. Trotzdem sind einzelne Instrumente, wie der subtile Triangel im 3. Satz, präsent und gut hörbar im vollen Orchesterklang.
  Orchester:

Dirigent:

Aufnahmeort:

Aufnahmedatum:

Label:

Dynamic Range:

Auflösung:

Chicago Symphony Orchestra

Sir Gerog Solti

Medinah Temple, Chicago

Januar 1979 / Digital Remaster 1991

London (Decca)

DR14/DR13, DR13-14

16Bit/44.1 kHz (CD-Rip, Aufnahmeformat: Analog)

Wo stehen die vier jüngeren Aufnahmen im Vergleich mit einer älteren, aber nicht historischen Einspielung und Interpretation? Meister Sir Gerog Solti interpretiert die Brahms Symphonien in einer für die Zeitepoche typischen Auffassung: warmer, wenig transparenter Klang, eher zurückhaltende Tempi –ausgeprägt im langsamen Satz. Bedingt durch die damals verfügbare Aufnahmetechnik, aber auch durch die unterschiedliche Auffassung von Klangästhetik in den 70er Jahren, wirkt die Solti Einspielung nach heutigen Massstäben und Möglichkeiten eher flach mit wenig Rauminformation. Das Klangbild ist teilweise rau (kann auch vom Remaster her kommen) und mit ineinander fliessenden Instrumenten Linien.

Fazit: Ein Konzertsaal lässt sich nur in gewissen Grenzen auf einer Aufnahme abbilden. Ein Konzert- und somit Aufnahmeraum prägt den Klang eines Orchesters und diese Prägung lässt sich transportieren. Allerdings beeinflussen Wahl der Instrumente und Mikrofone, sowie die Mikrofonaufstellung die Einspielung ebenfalls in erheblichem Mass. Wer die Elbphilharmonie als Gesamtwerk erfahren will, der muss sich nach Hamburg begeben und das Gebäude, die Erschliessungsräume und die Konzertsäle mit allen Sinnesorganen erfahren. Dieses Vergnügen wird der Autor im nächsten August haben.

Abhörsystem:

Lautsprecher Bowers & Wilkins 802D3
Quelle Aria Music Server
Vorverstärker Classé CP-800
Endverstärker Classé Sigma mono
Kabel/Netzfilter Silent Wire